Gedankenmüll

Hallihallo,

ich bin zuhause und kann endlich meine ganzen Gedanken aufschreiben, die mir heute so über den Tag gekommen sind.

Ich habe heute Latein geschrieben.

Um ehrlich zu sein, hatte ich 3 Jahre lang die schlechteste Lateinlehrerin der Schule, war dann das halbe Halbjahr weg und durfte jetzt mit der strengsten Lateinlehrerin auskommen. Klasse. Latein lernen bei mir bedeutet, alles auf Karteikarten schreiben und morgens vor der Arbeit ins Gedächtnis quetschen, sodass man alles schön weiß, nur morgen schon wieder vergessen hat.

Ich habe das schon immer gemacht, und ich kam bisher immer mit einer 2 in Latein davon. Einmalig sogar eine 1. Jetzt hatte ich das Übel. Ich konnte keine Verbform, keine Deklination. Nichts. Ich habe alles gelernt und ich glaube sogar, dass ich es ein bisschen kann. Hoffe ich zumindest.

Egal, wie es diese Frau macht.

Bei ihr lernt man einfach, weil man Angst hat.

Und es bringt ja was.

Sie will nämlich niemandem das Latinum schenken.

Irgendwo recht hat sie.

Nur bei dieser Arbeit habe ich (was die Übersetzung angeht) bis auf eine Stelle ein sehr gutes Gefühl.

Hatten im anderen Kurs auch viele.

Und die haben einen Schnitt von 6 Punkten.

 

Zum Frühstück gab es bei mir 3 Optiwells. 2 Kirschjoghurts und einen Grießpudding. Wenn man sich mal so die Inhaltsangaben durchliest, versteht man auch, wie man auf nur 97 kcal für 150g Grießpudding kommen kann. Gerade mal 7% Hartweizengrieß. Das einzige, was mich an ihm stört, ist, dass Süßstoffe drin sind und dass er nicht vegan ist. Ich habe mich wieder abhängig von ihm gemacht.

Damit lässt es sich aber leben.

 

Während ich in der Bahn vor mich hinträumte, anstatt wieder mal Latein zu lernen, was mir dann erst beim Warten und während des Gottestdienstes zu Allerheiligen eingefallen ist (wir sind ja alle so brav auf unserer katholischen Schule und sind hingegangen._.),

habe ich über stationäre Therapien nachgedacht.

Ich kann im Nachhinein von Glück reden, dass ich dort nicht als Magersüchtige war. Denn mit Magersucht und dem Zwang zuzunehmen, ist die Therapie von vorneherein schon zum Scheitern verurteilt. Nimmt man nicht zu, wird der Ausgang gestrichen. Am Ende bleiben einem noch lächerliche 15 Minuten auf dem Klinikgelände mit Personal oder Eltern. Erbärmlich. Man wird für eine Krankheit bestraft und bekommt aufgedrückt:

Das bist alles du. Du bist dafür verantwortlich, du hast die Schuld.

Der normale Mensch (wer ist hier ja schon normal) isst wie sonst was, sagt sich, dass er ja zuhause wieder abnehmen kann, wird entlassen und das Spiel beginnt von vorne. Genauso war es bei einem kleinen Mädchen aus dem Nachbarzimmer. Das war ihre 7. Klinik. Sie hatte bei ihrer Größe Gewichtsunterschiede von 25 Kilo (zwischen 25 und 50 kg Körpergewicht) und ich hoffe für sie, dass sie es jetzt endlich packt. Der Krankheit ist damit aber nicht geholfen. Dem Mädchen erst recht nicht.

 

Als Bulimikerin (als eine solche war ich zum Glück auch nicht da) hat man es schon besser. Man kann zwar nicht mehr nach Lust und Laune kotzen, jedoch geht fressen immernoch. Wenn man es unbemerkt anstellt. Damit ist auch nicht wirklich geholfen. Man sollte sich viel mehr auf die psychiche Ebene konzentrieren.

 

Ich durfte in der Klinik das alles miterleben. Am Ende ging es mir nur noch: Ich will raus, obwohl ich sogar freiwillig reingegangen bin. Ich habe angefangen zu lügen und weiß heute noch nicht, ob ich es bereuen soll oder nicht. Irgendwie schon, irgendwie auch nicht. Hätte ich nicht gelogen, hätte ich nicht meinen Freund kennen gelernt und mir ginge es manchmal nicht so gut.

 

Warum geht es mir mit Freund besser? Darüber habe ich dann in der Schule nachgedacht. Ersteinmal muss man wiederholen, dass ich an starken Angststörungen vor Warzen- und anderen Bakterien leide. Ich habe den Zwang, mir ständig die Hände zu waschen. Niemand darf mich berühren, meine Schwester darf wegen ihrer Fußwarze seit 2 Jahren nicht mal mein Zimmer betreten.

Heute morgen habe ich sie gebeten, meine Tasche zu halten, damit sie nicht umfällt. Sie hat mich sehr erstaunt angesehen und gefragt: "Ich darf etwas von dir berühren? O.o" Ja, aber erst nachdem ich die Vor- und Nachteile abgewägt habe. Was wäre schlimmer? Wenn die Tasche umkippt und auf den dreckigen Boden kommt oder ein Finger von ihr, der naja, noch gerade so auszuhalten ist. Mein Schulzeug ist eh nicht sauber. Wirklich saubere Sachen gibt es in meiner Welt eh kaum noch. Sogar diesen PC hier habe ich aufgegeben, weil er von allen benutzt wird. Naja.

Wieso der Freund?

Mein Freund hat das höchste aller Privilegien, die ein Mensch in meiner Umgebung bekommen kann. Er darf mich berühren, ohne sich vorher nochmal extra die Hände gewaschen zu haben. Er darf meine Hand nehmen, ohne dass ich danach meine Hand für abgestorben erkläre und angeekelt damit nichts mehr anfasse.

Klar habe ich immernoch diese Stimme im Kopf, aber die wird irgendwie überschattet. Durch ihn. Ich wasche mir auch immernoch die Hände, aber es ist nicht mehr so stark.

Deshalb geht es mir besser. Soetwas hat kein Therapeut in 3 Monaten hinbekommen.

Ich war ein aussichtsloser Fall in der Hinsicht.

 

Und weil ich ihn jetzt brauche, rufe ich ihn an :D

 

Ohhh und ich glaube nicht, dass es ein "haben"-Denken ist, weil Perfektion kein Gegenstand ist, den man besitzen kann. Es ist die Weise, wie man sich selbst sieht? "Bin ich perfekt?"

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Kommentare: 2
  • #1

    Julchen (Dienstag, 02 November 2010 17:33)

    oke, du hast mich umgestimmt! :> :)

  • #2

    beyond-life (Dienstag, 02 November 2010 21:21)

    1. Ein Glück, dass ich nie Latein hatte, finde ich eh sinnlos, weil es halt keine existierende Sprache mehr ist.

    2. Genau wegen dem, dass du da beschreibst habe ich Angst. Ich habe mal (nicht wegen Magersucht) ein Angebot für einen Therapeuten bekommen, und aus Angst, dass der all meine anderen Probleme thematisieren könnte, abgelehnt. Vielleicht hätte ich doch annehmen sollen...

    3. Ist Liebe eine Art Therapie? Oder zumindest gut für die Seele und deren Ticks?

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