ARD Themenwoche

Es ist 6:30. "Never" von Chiddy Bang schwebt durch mein Zimmer. Ich will noch nicht aufstehen, greife halb im Schlaf nach meinem Handy. 10 min später habe ich mich aufgerafft. Mir ist heiß. Ich muss meine Kleider loswerden. Aber ersteinmal hinsetzen, die schwankende Umgebung sich einpendeln lassen. Als ich ins Bad gehe, fühle ich mich total schlapp. Es geht meinem Hals schon besser, aber ich selbst fühle mich unausgeruht. Zurück im Zimmer mache ich das kleine Leselicht an. Es ist eine beruhigende Stimmung im Zimmer. Dämmriges Licht, kein Geräusch. Ich verfluche die Waage, ich verfluche meinen Körper. Wehe wenn er wieder keine Abnahme anzeigt, obwohl ich mich so angestrengt habe.

Ich hole sie hervor. Eine routinierte Bewegung. Eingebrannt in meinen Kopf, mit ihr beginnt jeder Tag. Ausziehen, durchatmen und hinsehen. 47.3 kg. Minus 600g. Erleichterung, aber doch nicht zufrieden. Lautlos verstecke ich die Waage wieder. Ich merke, dass ich heute etwas essen sollte, aber das kann warten. Gestern Abend habe ich mir versprochen, dass ich heute etwas essen darf und bin deshalb zufrieden eingeschlafen.

Erst einmal ein großes Glas Wasser, damit der Magen voll wird.

Ich bin immernoch zuhause. Heute ist der letzte Tag der ARD Themenwoche zu "Essen ist Leben". Der Fernseher läuft, während sich die Moderatorin mit einer Expertin über "Zucker - süßes Gift?" unterhält. Danach soll das Thema "Meine Freundin die Magersucht: Dünn bis in den Tod" kommen. Ich überlege, ob ich etwas essen sollte. Brot? Eine Banane? Nein. Aber irgendetwas muss doch sein. Es soll den Magen füllen, satt machen, gut schmecken und wenig Kalorien haben. Aber sowas haben wir nicht zuhause. Keinen Sojajoghurt, noch nicht einmal normalen Magerjoghurt, keine Salatgurken und keinen Optiwell. Ich überlege, ob ich mich umziehen sollte und mit dem Fahrrad zum Supermarkt fahre. Ach nein, mein Fahrrad habe ich garnicht hier. Also müsste ich laufen. Umziehen und laufen. Weiter laufen. Und gleich kommt doch der Bericht. Ich verwerfe die Pläne, falls ich etwas frühstücken will, dann erst nach 11 Uhr. Und um 15 Uhr kommt meine Mutter schon von der Arbeit. Und dann gibt es bestimmt etwas zu essen. Oder ich bereite wieder einen Teller vor. Aber heute muss ich abends bestimmt wieder etwas essen. Verzwickt. Es überfordert mich.

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Kommentare: 1
  • #1

    beyond-life (Dienstag, 02 November 2010 20:39)

    Wow. Das liest sich echt toll. Ein bisschen wie ein nachdenklicher, melancholischer Roman. Über sowas solltest du vielleicht nachdenken, kannst du wirklich gut.

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